„Ich habe es gesehen und ich habe es gerochen. Ja, es war ein Gebäude, das extra für Mord gebaut worden war. Du betrittst einen Raum und dort gibt es eine Reihe Öfen, die wie die Heizkessel in großen Wohnblocks aussehen.“
John Edwin Thierman, U.S. Signal Corps
Das Lager als Beweis
Beweisaufnahme
Drei Tage nach der Befreiung Buchenwalds am 11. April 1945 erreichen die ersten Fotografen der US-Armee das Lager. Ihre Aufnahmen gehen um die Welt und prägen bis heute das Bild der Konzentrations- und Vernichtungslager in der Öffentlichkeit. Sie werden zum Beweis für die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Wie die US-Soldaten sind auch die Kriegskorrespondenten entsetzt über die Zustände, die sie in Buchenwald vorfinden. Margaret Bourke-White, die für das Life-Magazine arbeitet, berichtet: „Ich sagte mir ständig vor, ich würde erst dann an das unbeschreiblich grässliche Bild in dem Hof vor mir glauben, wenn ich meine Photos zu sehen bekäme. Die Kamera zu bedienen war fast eine Erleichterung, es entstand eine schwache Barriere zwischen mir und dem bleichen Entsetzen, das ich vor mir hatte.“
Neben Pressefotografen arbeiten in Buchenwald Militärfotografen der 166th Signal Photo Company. Ihre Aufnahmen sind auch die ersten, die durch Militärzensur gehen und per Funk in alle Länder übertragen werden. Bereits am 19. April erscheint in der Londoner Times das erste Foto vom Buchenwalder Krematoriumshof während der Besichtigung durch die Weimarer Bürger am 16. April 1945.
Die wichtigste Aufgabe der Militärfotografen ist es, die deutschen Verbrechen zu dokumentieren. Sie gelten als Beweis für alle, die nicht als unmittelbare Augenzeugen im Lager anwesend sind und dienen der Vorbereitung der Kriegsverbrecherprozesse. 1947 muss der Fotograf Adrian J. Robertson vor Gericht die Echtheit seiner in Buchenwald aufgenommenen Fotos bestätigen, die im Dachauer Buchenwald-Prozess eine wichtige Rolle spielen.
Britische und amerikanische Parlamentsdelegationen besichtigen das befreite Lager. Neben dem erschreckenden Gesundheitszustand der Befreiten sind es vor allem die vorgefundenen Leichenstapel, die Verbrennungsöfen des Krematoriums und die Berge von Knochenasche, die als Beweis der „nazi horror mills“ gesehen werden und so zum Symbol für die NS-Verbrechen und den Holocaust werden.
Das Lager als Beweis
Im Auftrag des Lagerkomitees
Nicht nur US-Soldaten und Kriegsberichterstatter fotografieren in Buchenwald. Überlebende dokumentieren das ehemalige Konzentrationslager ebenfalls. Sie halten auch Teile des Lagers fest, die ihre Bedeutung als Verbrechensorte Buchenwalds nicht auf den ersten Blick offenbaren.
Alfred Stüber und Heinrich Albrecht sind Zeugen Jehovas und haben in der Fotoabteilung gearbeitet. Am 20. April beauftragt sie das Internationale Lagerkomitee, das KZ Buchenwald zu dokumentieren. Es entsteht eine Fotoserie mit über 70 Aufnahmen, die ein differenziertes Bild des Lagers vermittelt.
Von zentraler Bedeutung sind auch für Alfred Stüber und Heinrich Albrecht das Krematorium, die Leichen im Krematoriumshof und das Leiden der Häftlinge im Kleinen Lager. Sie dokumentieren den ehemaligen Pferdestall, in dem SS-Männer über 7.000 sowjetische Kriegsgefangene erschossen, und den Operationssaal II des Häftlingskrankenbaus, in dem SS-Ärzte Hunderte von Häftlingen ermordeten. Stüber und Albrecht sichern damit Eindrücke von Orten, die Außenstehende nicht kennen können. Ihre Bilder halten auch die Welt ihrer Peiniger, die Villa des Lagerkommandanten und den SS-Falkenhof, fest. Sie fotografieren das Torgebäude mit dem schmiedeeisernen Eingangstor und der Inschrift „Jedem das Seine“. Die Schrift ist von innen lesbar, so dass Häftlinge vom Appellplatz darauf schauten.
Die Fotoserie wird noch im April und Mai 1945 im befreiten Lager vervielfältigt und an mehrere Hundert Überlebende verteilt. Zurückgekehrt in ihre Heimat sollen sie über die Verbrechen im KZ Buchenwald berichten und mit Fotos die Zustände im Lager belegen. Die Bilder erscheinen in zahllosen Publikationen ehemaliger Häftlinge auf der ganzen Welt.
Alfred Stüber stellt aus den Fotos einen Lichtbildvortrag zusammen, den er ab Juli 1945 vor allem in Süddeutschland hält. Er beginnt seinen Vortrag mit den Worten: „Was diese Lager in Wahrheit gewesen sind, mögen Sie aus den nun gezeigten Lichtbildern selbst entnehmen.“
Alfred Stüber: Der endlose Weg
Ab Juli 1945 hält der ehemalige Häftling Alfred Stüber Diavorträge in verschiedenen Städten zur Aufklärung der Öffentlichkeit über das KZ Buchenwald.
Die ersten Bilder der gut besuchten Veranstaltungen werden mit Musik von Beethoven begleitet, dann beginnt Albrecht Stüber mit leiser Stimme zu reden. Ein Zeitungsartikel berichtet von der „atemlosen Spannung“ der Zuschauer und von einem „Gemurmel des Schreckens und der Empörung“. Am 14. Juli kommt es während des Vortrages in Reutlingen zur öffentlichen Vorführung eines SS-Mannes aus Buchenwald, der die Wahrheit der Ausführungen Stübers und die Echtheit der gezeigten Bilder bestätigt. Sie sehen eine gekürzte und rekonstruierte Fassung des Vortrags in dem die Fotos mit den Texten des Originalmanuskripts kombiniert sind.
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Das Lager als Beweis
Buchenwald in Farbe
Vom befreiten Lager ist eine Serie von 13 Farbdias erhalten. Sie stammt von Ardean R. Miller, einem der nur vier Farbfotografen der Amerikaner auf dem europäischen Kriegsschauplatz. Er ist am 18. April 1945 in Buchenwald.
Ardean R. Miller ist der erfahrenste Farbfotograf der US-Armee. Bereits seit Ende der 1930er-Jahre arbeitet er mit damals neuartigen Farbfilmen von Kodak. Miller sagt später, dass der Auftrag in Buchenwald zu fotografieren, sein schlimmster gewesen ist. Die Bilder hätten ihn ein Leben lang verfolgt.
Für die US-Armee ist 1945 der Einsatz der Farbfotografie ein Experiment, dem sie keine allzu große Bedeutung zumisst. Die Bilder von Ardean R. Miller finden jahrelang keine Verwendung. Erst in den 1990er-Jahren werden sie wiederentdeckt und veröffentlicht. Heute ermöglicht die Serie für den Betrachter einen besonderen visuellen Zugang zum befreiten Lager. Während bei Schwarz-Weiß-Aufnahmen immer auch zeitliche Distanz und der Charakter einer Dokumentaraufnahme wahrnehmbar ist, wird mit Farbfotos eine überraschende Nähe zur Wirklichkeit aufgebaut. Das lässt Ardean R. Millers Dias zu einzigartigen Bildern aus den Tagen der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald werden.