Die SS
Robert Antelme
Die Elite des Dritten Reiches
Passfotos sind für die SS nicht nur einfache Passfotos. Mit ihrer Hilfe beurteilen die SS-Ämter sogar, ob sie der Eheschließung eines SS-Mannes zustimmen können oder nicht. Auch die Familienbilder verweisen auf die Vorstellungen der SS von der eigenen rassischen Überlegenheit.
Am 31. Dezember 1931 erlässt Heinrich Himmler den „Verlobungs- und Heiratsbefehl des Reichsführers SS“. Er verpflichtet alle unverheirateten SS-Angehörigen, vor ihrer Eheschließung eine Heiratsgenehmigung bei Himmler einzuholen. Zu diesem Zweck haben die Verlobten jeweils drei Lichtbilder einzureichen. Anhand der Unterlagen wird im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS (RuSHA) über den „rassischen Wert“ der SS-Angehörigen und ihrer zukünftigen Ehepartnerin entschieden. So beurteilt das Amt die Verlobte des SS-Oberscharführers Anton Bergmeier als zu „ostisch“ und damit als ungeeignet, die Frau eines SS-Angehörigen zu werden. Diese Form der Auslese bettet sich ein in die Vorstellung der SS, den Kern einer überlegenen germanischen Rasse zu bilden.
So stehen die privaten Familienbilder der SS im Kontext einer Vorstellung, in der die Propaganda für die eigene Sippe als Grundlage einer elitären Rassepolitik gesehen wird: Fotografieren wird zur Rasse- und Familienpflicht. Zur Kamera greifen auch der erste Buchenwalder Lagerkommandant Karl Koch und seine Frau Ilse. In dem 1938 für ihren Sohn Artwin angelegten Fotoalbum ist jedoch nicht nur der Sippengedanke der SS eingelagert. Es ist auch der Versuch Karl Kochs, seinen gesellschaftlichen Aufstieg vom mittellosen Versicherungsvertreter der Weimarer Republik zum Aufbaukommandanten mehrerer Konzentrationslager zu dokumentieren. Fertigen lässt Koch das Album von Häftlingen des Kommandos Buchbinderei in den Lagerwerkstätten. Nach Auswahl der Bilder beschriftet ein Häftling der Fotoabteilung die einzelnen Albumseiten und versieht sie mit kleinen Zeichnungen.
Besuche im KZ Buchenwald
Im Herbst 1941 wird im Auftrag des Buchenwalder Lagerkommandanten Karl Koch ein Fotoalbum angelegt, das die Baufortschritte des im Sommer 1937 errichteten Konzentrationslagers dokumentieren soll. Mit ihm will sich Karl Koch als fähiger „Aufbaukommandant“ inszenieren. Abgebildet werden unter anderem Baustellen des Häftlingslagers, der Hundertschaftskasernen der SS, der Kasernen der Waffen-SS und verschiedener Funktionsgebäude.
Zahlreiche Albumseiten, die die Ankunft von Häftlingstransporten in Buchenwald zeigen, sollen vor allem Ordnung, Härte und Disziplin dokumentieren, mit denen Karl Koch sein Lager „mustergültig“ führt. Beispielhaft hierfür stehen die Fotos, auf denen nach dem Novemberpogrom 1938 in Reih und Glied zum Appell angetretene Häftlinge zu sehen sind.
Die Bilder werden mehrheitlich von Häftlingen der Fotoabteilung angefertigt. Die Gestaltung des Albums wird von Häftlingen der Lagerwerkstätten vorgenommen.
Nach der Befreiung in den Besitz französischer Ermittlungsorgane gelangt, wird das Album im Nürnberger Prozess als Beweismaterial gegen den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, vorgelegt. Nach Prozessende gelangt das Fotoalbum in das Archiv des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag.
Ein zweites Exemplar des Albums von Karl Koch befindet sich in den Beständen des Zekelman Family Holocaust Memorial Center in Farmington Hills, Michigan/USA. Dorthin wurde es Anfang der 1980er-Jahre von Lorenz Schmuhl, dem von den Amerikanern nach dem 11. April 1945 eingesetzten Übergangskommandanten, übergeben.
SS-Männer unter sich
So wie es den SS-Leuten verboten ist, über ihre Arbeit zu sprechen, ist es auch verboten, im Dienst zu fotografieren. Die von ihnen privat gemachten Fotos lassen kaum erahnen, woraus ihre Arbeit besteht. Sie stellen vielmehr die gute Kameradschaft der SS-Soldaten in den Vordergrund.
Als im Juli 1937 das Konzentrationslager auf dem Ettersberg errichtet wird, rekrutiert sich das dafür benötigte Wachpersonal aus der SS-Totenkopfstandarte 3 „Thüringen“. Da die SS-Männer nach den Vorstellungen ihrer Führer die Elite des neuen nationalsozialistischen Staates verkörpern, müssen sie verschärften, rassisch definierten Kriterien entsprechen. Das Alter der in den Anfangsjahren etwa 1.000 SS-Leute in Buchenwald liegt deutlich unter der gesetzlichen Volljährigkeit von 21 Jahren. Neben dem Erwerb militärischer Grundkenntnisse hat die Ausbildung vor allem die Aufgabe, den Korpsgedanken zu stärken und die kaltblütige Macht- und Gewaltausübung gegenüber den Häftlingen zu ermöglichen.
Trotz des mehrfach bekräftigten Verbotes, private Bilder im Lagerbereich aufzunehmen, entstehen vor allem in der Frühzeit des Lagers einige Fotos, die den Dienst der SS-Leute zeigen. Überliefert ist beispielsweise eine aus 28 Bildern bestehende Fotoserie des SS-Rottenführers Theodor Hommes, der 1938/39 als Wachmann in Buchenwald stationiert ist. Hommes fotografiert die für seine Dienstzeit charakteristischen Kasernen und die Postenkette. Daneben hält er SS-Einsätze außerhalb des Lagers fest, wie z. B. bei einem Hitler-Besuch in Weimar und einem der zahlreichen Manöver. Die Fotos sollen ihm als Erinnerungsstücke an seine Zeit in Buchenwald dienen.
Die ursprüngliche Bedeutung der Bilder als private Erinnerungsfotos ist es, die sie aus heutiger Sicht bemerkenswert erscheinen lassen. Sie zeigen, dass sich die SS-Männer an ihren Dienst als an eine gute Zeit erinnern wollen. Ihre Aufgabe im KZ hält sie keineswegs davon ab, sich mit einer unbekümmert wirkenden Fröhlichkeit zu präsentieren.