Die Täter
Das war Buchenwald. Ein Tatsachenbericht
SS-Männer als Gefangene
Der Großteil der SS-Männer setzt sich beim Herannahen der US-Armee am frühen Mittag des 11. April 1945 aus Buchenwald ab. Nur einige wenige bleiben zurück. Bewaffneten ehemaligen Häftlingen gelingt es noch am selben Tag, auf Patrouillengängen 76 SS-Männer gefangen zu nehmen.
Am 11. April 1945 ertönt gegen 12 Uhr zum letzten Mal die Stimme eines SS-Mannes durch die Lagerlautsprecher. Rapportführer Hofschulte gibt den Befehl „Sämtliche SS-Angehörigen sofort aus dem Lager!“ Fast die gesamte SS rückt ab. Lediglich eine Handvoll Angehöriger der Wachmannschaft, größtenteils ukrainische SS-Männer niederer Dienstgrade, bleibt in der Umgebung des Lagers.
Bewaffnete Stoßtrupps der Häftlinge durchkämmen die umliegenden Wälder und Dörfer und greifen in den nächsten Stunden SS-Männer auf, teils in Uniformen, teils in zuvor aus der Effektenkammer beschafften Häftlingsanzügen. Sie bringen sie u.a. in den Arrestzellenbau des Lagers. Einige der SS-Männer werden von aufgebrachten Häftlingen so verprügelt, dass sie an den Folgen sterben. Die meisten der Gefangenen werden in amerikanische Kriegsgefangenenlager eingeliefert.
Als die ersten Fotografen der US-Armee am 14. April das Lager erreichen, gilt deren Aufmerksamkeit den Häftlingen – den Toten und den Überlebenden. Die gefangenen SS-Männer finden so gut wie keine Beachtung. Nur eine Aufnahme zeigt einen durch Häftlinge gerade festgenommenen SS-Mann. Vermutlich ist es Hermann Hofschulte, der versucht hatte, in Zivilkleidung zu fliehen.
Lee Miller ist die einzige Fotografin, die die im Arrestzellenbau gefangenen SS-Männer aufnimmt. Lee Miller verachtet sie, beschreibt sie als ehrlos und winselnd und versucht, dies mit ihren Bildern zu dokumentieren. Ein Teil der Fotos erscheint in der Zeitschrift Vogue.
Angeklagte im Dachauer Buchenwald-Prozess
Am 11. April 1947, zwei Jahre nach der Befreiung des Lagers, beginnt in Dachau der Buchenwald-Prozess, vor allem gegen Mitglieder des ehemaligen Kommandanturstabes. Militärfotografen des Signal Corps dokumentieren das Verfahren.
Offiziere der Ermittlungsbehörde der US-Armee legen bereits im befreiten Lager ehemaligen Häftlingen Fotografien vor. Auf den im SS-Bereich sichergestellten Bildern sollen sie ihre Peiniger identifizieren. Bis Anfang 1947 werden insgesamt 793 mit Verbrechen im KZ Buchenwald und seinen Außenlagern in Zusammenhang stehende Personen, hauptsächlich SS-Angehörige, aber auch Zivilisten und Häftlingskapos, in alliierte Haft genommen. Von ihnen werden schließlich 31 besonders stark belastete Täter ausgewählt, gegen die die Anklage vorbereitet wird, und von denen erkennungsdienstliche Fotos gemacht werden, je eine Frontal- und eine Profilaufnahme.
Der Prozess wird vor einem Militärgericht auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau geführt. Unter den Angeklagten befinden sich der Lagerkommandant Hermann Pister und Ilse Koch, die Frau des ersten Lagerkommandanten. Die Militärfotografen Dean L. Dennis und John Chambers begleiten den Prozess. In einer 120 Fotografien umfassenden Bilddokumentation halten sie die Gerichtsauftritte der Zeugen sowie die Vernehmung der Angeklagten fest. An der sich in den Bildern widerspiegelnden Anspannung aller Beteiligten wird die Brisanz der verhandelten Verbrechen sichtbar.
Der Prozess endet am 14. August 1947 mit der Urteilsverkündung: 22 Angeklagte werden zum Tode verurteilt, fünf zu lebenslänglicher Haft. Vier Angeklagte erhalten Freiheitsstrafen zwischen zehn und zwanzig Jahren. An das Gericht werden zahlreiche Gnadengesuche aus allen Teilen der deutschen Bevölkerung herangetragen. Die SS-Täter, die man nur als Nachbarn und Väter kannte, erscheinen vielen glaubhafter als das Zeugnis der Überlebenden. Bis 1951 werden neun Todesurteile vollstreckt. Alle übrigen Verurteilten werden bis Mitte der 1950er-Jahre amnestiert.